"Brandt & Levie" und "Vom Einfachen das Gute"
Im Frühjahr 2016 stand Geert, einer der Gründer von "Brandt & Levie", mit einem breitem Lächeln bei uns im Laden. Er sei Metzger aus Amsterdam und ihm wurde von einem seiner Facebook-Fans unser Laden für den Verkauf seiner Salami in Berlin empfohlen.
Wir waren anfangs sehr skeptisch „gute italienische Salami aus den Niederlanden?!“ erzählt Jörg noch heute immer mit einem Augenzwinkern in den Augen, wenn er von "Brandt & Levie" bei uns im Laden spricht! „Das kann ja nicht gut sein!“ Geert hat uns eines Besseren belehrt.
Er legte uns die verrücktesten Salamis zum Verkosten auf den Tisch. Salami mit Blauschimmelkäse und Tannennadeln, Salami Chipotle mit Schokoladenstückchen, Salami Lavendel, Rosmarin mit Rosenblättern und so weiter… Wir kosteten und waren begeistert. Die Salamis waren ganz und gar perfekt von Konsistenz und Struktur. Ein grobes Brät, aber nicht zu grob. Edelschimmel und dieser unvergleichliche Duft einer gereiften Salami, der einem sofort das Wasser um Mund zusammenlaufen lässt. Dazu die auf den ersten Blick wilden Zutaten wie Tannennadeln. Die jedoch nicht der Logik einer Effekthascherei folgen sondern der verspielten Lust passionierter Koch-Entusiasten entspringen und sich in jeder Rezeptur zu einem Salami-Geschmackserlebnis verbinden.
„Verstehe ich richtig? Dein Name ist Samuel Levie?! Du bist also ein Jude, der in Amsterdam lebt und italienische Salami vom Schwein produzieren möchte?!“ (Carlos Petrini zitiert von Geert)
Vor „Brandt & Levie“ haben Samuel Levie, Jiri Brandt und Geert van Wersch gemeinsam als Köche in Amsterdam in Sternerestaurants gearbeitet und für Caterings gekocht. Sie haben immer mit komplett ausgefallenen Wurst-Rezepturen herumexperimentiert und die Menschen begeistert, dass Bratwurst so spannend und gut schmecken kann. Die Zubereitung von Bratwurst war einfach, aber luftgetrocknete Salami zuzubereiten schon eine Herausforderung. Wo kann man dies besser lernen als in Italien selbst?! fragten sie sich. Also sind Sam und Jiri zusammen nach Korsika und Italien gereist, um dort zu arbeiten und diese Königsdisziplin des „Metzgerhandwerkes“ zu erlernen. Doch dabei ging es nicht nur um die Zubereitung der Wurst, sondern auch, und vor allem, um die Haltung der Schweine.
Sam und Jiri wollten allerdings nicht von Irgendjemandem lernen, erzählt Geert, sondern von den Besten. Sie hatten sich in den Kopf gesetzt Carlos Petrini um Empfehlungen zu bitten. Doch Petrini, so Geert, hätte sie lange ignoriert, bis er wohl auf Sam's vollen Namen aufmerksam wurde. Geert erzählt mit einem Lachen, das Petrini wohl gesagt hätte „Verstehe ich richtig? Dein Name ist Samuel Levie?! Du bist also ein Jude, der in Amsterdam lebt und italienische Salami vom Schwein produzieren möchte?!“ „Ganz genau“, so Sam, und sie wurden unter Petrini’s Fittiche genommen. Er organisierte ein Ausbildungs-programm indem alteingesessene Metzger-Meister dieser neuen Generation das Handwerk beibringen.
Zurück in den Niederlanden mieteten sich Jiri, Sam und Geert in einer kleinen Manufaktur am Stadtrand von Amsterdam ein und experimentierten 8 Monate lang, um ihr Handwerk zu perfektionieren und verschiedene Rezepturen auszuprobieren.
An sie geglaubt hat zunächst niemand und kein Investor wollte sie finanzieren. "no one believed in the success of this way of making sausages and charcuterie" erzählt Geert. Also haben sie eine Crowdfunding Kampagne gestartet. Dort glaubten mehr Leute an ihre Vision und sie erhielten mit "Crowd About Now" über 60.000€.
Zu Besuch bei Brandt & Levie in Amsterdam
Es führt eine Wendeltreppe runter in die Produktionshalle. Mit leichtem Hall läuft „Good time" von CHIC im Radio während die Mitarbeiter in hellblauer Schutzkleidung die Schweinehälften zerlegen. Die Atmosphäre ist gelassen. Es ist eine kleine Produktion. In der Woche werden ca. 60 Schweine verarbeitet.
Geert gibt mir eine Tour durch die Zerlegehalle und Lagerräume und erklärt routiniert die Abläufe. Im ersten „Fermantationsraum“ wird „Schimmelpilz“ und „Milchsäurebakterien“ in den Raum gegeben, die den Zugegebenen Zucker in den Würsten abbauen und den PH-Wert senken, damit keine unerwünschte Fäulnis vorkommt und natürlich der Salami ihren geschmacklichen Charakter geben.
Bei 90% Luftfeuchtigkeit und einer Temperatur von 18-24°C hängen die Würste eine Woche in der ersten Reifekammer. In der zweiten Kammer hängen sie nochmals 2-3 Wochen, dort entwickelt sich langsam ein zarter weißer Schimmel auf den Salamis. In der dritten Reifekammer sind die Salamis durch den Feuchtigkeitsverlust schon viel kleiner, der Geschmack konzentrierter und strahlend weiß und lassen einem schon das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Jiri entwicklt generell die Rezepturen. Und obwohl Computer und Technik verwendet werden, schmunzelt Geert, schreibt er noch heute seine Notizen und Rezepturangaben auf einen Zettel, der an der Wand hängt. Sam ist viel mit der "Brandt & Levie-Food-Beratung" beschäftigt und bei "Slow Food Niederlande" engagiert. Geert ist für den Verkauf zuständig und die Kundenbetreuung.
Ziel: Nur Fleisch aus bester Tierhaltung
"Brandt & Levie" geht es bei der Wurstherstellung nicht nur um die Wurst-Herstellung an sich, sondern auch um die Tierhaltung. Nur mit der besten Tierhaltung, gutem Futter, viel Auslauf, entspannten Schweinen und einem langsamen Wachstum gibt es auch gutes Fleisch, was erst mit gutem Handwerk vereint eine leckere Salami schafft, erklärt Geert. Deswegen wollen Geert, Sam und Jiri auch mehr Schweinezüchter finden, die sich der Freilandhaltung annähern.
„For us organic is the minimum!“
„The way our small producers hold their animals and what they feed them with is actually much better than most of the „bio-guidelines“, but there are not enough of such great suppliers yet and organic-shops still want a certificate.“
Geert läd uns ein, einen ihrer Produzenten zusammen zu besuchen. Sander Kerkhoffs, 35 Jahre alt, Traumberuf: Landwirt.
Besuch bei Bauer Sander
Auf der Autofahrt erzählt er mir bereits, dass Sander einer der ersten Schweinebauern in den Niederlanden war, der die Tiere in kompletter Freilandhaltung gehalten hat „People came to see it, because they never have seen pigs outdoors before!“ erzählt Geert...
Hier geht es zur Geschichte von unserem Besuch bei Sander.
TEXT & BILDER DESCHNA