Schon als unser Laden nur im Kopf existierte, wollten wir unbedingt einen „Jamon Iberico“. Schließlich gilt er als der beste Schinken der Welt. Doch recht bald stellten wir bei der Recherche fest, dass es unzählige Anbieter gibt und man nicht so recht weiß, worin eigentlich der Unterschied besteht. Über einen Zeitungsartikel sind wir dann zufällig auf die Farm von Ernestine gestoßen und mit ihr auf den einzigen 100% Iberico-Bellota. Ein paar Mails und gegenseitige Besuche später war klar: Dieser Schinken gehört in unser Sortiment.
Ernestine und ihr Mann Hans-Gerd leben seit fast 20 Jahren in Spanien und haben sich dort nicht nur ihren persönlichen Aussteigertraum verwirklicht, sondern setzen sich mit viel Herzblut für den Erhalt der einzigartigen Kulturlandschaft Dehasa ein. Dehasa ist die spanische Bezeichnung für beweidete Eichenwälder, die vor allem im Südwesten Spaniens und in Portugal das Landschaftsbild prägen. Berühmt vor allem ist sie für ihre Korkeichen und das iberische Bellota-Schwein (Eichelschwein).
Knapp 800 Hektar Land haben die beiden damals in Andalusien gekauft, und eine Stiftung gegründet und führen so die Jahrhunderte alte Tradition der Weide-, und Forstwirtschaft fort. Dort besuchen wir Ernestine an einem heißen Septembertag. Es geht über holprige Wege, vorbei an weidenden Schafen und Kühen zu einem Gatter, neben dem eine uralte, riesige Eiche steht. Ein Naturdenkmal zu Ehren der vielen Generationen von Landarbeitern, die das Bild der Dehasa geprägt haben, wie uns Ernestine später erzählt.
Weiter geht es zum Hauptgebäude der Farm, wo uns Ernestine zusammen mit ihren Hunden erwartet. Aufgeregtes Bellen, Beschnuppern und nochmal Bellen, dann scheinen wir akzeptiert. Fritzi, der Neuzugang im Hunderudel, weicht nicht von ihrer Seite. Ernestine erzählt uns, dass sie Tiere über alles liebt und einfach nicht nein sagen kann, wenn sich mal wieder ein zerzauster Streuner auf die Finca verirrt. Diese Liebe zu den Tieren und der Natur ist zugleich der Antrieb und Anspruch mit dem auf der Finca gewirtschaftet wird. Das spiegelt sich in den unzähligen von der Stiftung initiierten Projekten wider. Da sind die prachtvollen Retinto-Rinder, welche entspannt im hohen Gras liegen und genüsslich fressen. Die Schafe, die reinrassigen Andalusischen Esel und eine alte Hirschkuh, welche hier ihren Lebensabend verbringt. Aber auch Maßnahmen zum Schutz der Geier sowie ein Wiederansiedlungsprojekt für den Spanischen Kaiseradler sieht sie als ihre Aufgabe an.
100% Iberico Rasse Schweine
Nur von den Hauptdarstellern, den Schweinen, ist bisher weit und breit keine Spur zu sehen. Die Größe der Finca macht nicht nur die vielen Projekte möglich, sondern bietet den etwa 250 Tieren offensichtlich genügend Platz, um sich irgendwo herumzutreiben. Während wir also weitersuchen, erzählt uns Ernestine, dass sie die Einzigen sind, die noch absolut reinrassige Ibericos halten, d.h. ohne Einkreuzung von anderen Rassen. Heute eine Seltenheit. Man erkennt die Tiere an ihrer grazilen Statur und den schmalen Fesseln, um die "eine Damenhand fassen kann". Dank ihrer Beschaffenheit und Wachstumsentwicklung laufen die Ibericos bergauf und bergab und suchen die gesamte Dehasa auf Futter und im Herbst und Winter auf Eicheln ab. Diese "Selbstmassage" produziert die Fettdepots im Fleisch, die später für Qualität und den einmaligen Geschmack verantwortlich sind. Durch den hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren im Fleisch, werden die Ibericos auch „Olivenöl auf vier Beinen“ genannt.
"Iberico de Bellota (Eiche)"
Drei Arten von Eichen wachsen in der Dehasa. Korkeiche, Steineiche und Portugiesische Eiche. Zuerst fallen die Früchte der Portugiesischen Eiche herab und gewöhnen den Magen der Schweine an die Eicheln. Danach werden die Eicheln der Stein- und der Korkeiche reif. Am liebsten fressen die Schweine die Steineicheln. Diese sind süßlich und fettig. Erst wenn keine Steineicheln mehr übrig sind, werden die bittereren Korkeicheln gefressen. Wahre Feinschmecker also.
Nun endlich laufen uns die ersten Schweine über den Weg. Sie kommen direkt auf uns zu, als wir aus dem Auto steigen. Die Ibericos, wie auch wir, sind sehr neugierig. Sie haben schöne lange Ringelschwänze, was bedeutet, dass es ihnen gut geht, so Ernestine. Sobald ein Schwanz nicht gekringelt ist, wird das Tier untersucht.
Eigentlich finden die Schweine ausreichend Futter im Gelände, doch um sie überhaupt einmal am Tag zu sehen und, um ihre Gesundheit zu überprüfen, werden sie morgens gefüttert. Ansonsten sind sie frei auf der ganzen Finca unterwegs und fressen was das Herz begehrt.
100% IBERICO DE BELLOTA SCHINKEN UND FLEISCH in Berlin
Zwei Jahre leben die Tiere so, bis sie ein Gewicht von ungefähr 160 Kilo erreicht haben und geschlachtet werden. Doch zwischen Schwein bis zum gereiften Schinken liegen nochmal zwei bis drei Jahre. Hierfür arbeitet Ernestine mit einer darauf spezialisierten Manufaktur in Huelva, Jabugo zusammen. Dort werden die Schinken in mehreren Stufen verarbeitet. Zuerst werden sie mit Meersalz eingerieben und werden gestapelt gelagert, bis das Salz sich überall verteilt. Dann wandern sie von einer Reifekammer in die andere, von kühl und feucht zu trocken und warm. Auf diesem Wege verlieren sie durch Verdunstung immer mehr Gewicht. Schließlich landen sie in der sogenannten Bodega, wo sie noch einmal für ein paar Monate reifen, hier aber dann nur noch „Fett“ schwitzen. Diese letzte Phase ist die entscheidendste, in der das typische Aroma des Schinkens entsteht.
Alle Gelder vom Umsatz mit dem Iberico Fleisch und Schinken fließen wieder zurück in die Stiftung. Auf der Rückfahrt zurück zum Haus kommen wir an weiteren „Projekten“ vorbei: Einem eigenen Garten mit jeder Menge Gemüse und Kräutern. An einem Ferienhaus für die Studenten, welche Forschungsarbeiten zum Kartographieren der Dehasa durchführen. Zu guter Letzt sehen wir Ernestines ganzen Stolz: Einen weißen Andalusier Hengst, der eleganter nicht aussehen könnte. Wir sind total verzaubert von dieser Welt und verabschieden uns nur ungern.
BESUCHT von MANU, SASCHA & DESCHNA
TEXT MANU & DESCHNA
FOTOS SASCHA