Wir haben Andi zwei Tage lang auf seinem Weinberg begleitet und mitgearbeitet. Die Zeit verging wie im Flug, obwohl sich die Arbeit auf dem Weinberg zeitlos angefühlt hat...
Wir kommen an einem Sonntagnachmittag Ende Mai gemütlich im Zug aus Berlin in Iphofen, Südfranken, an. Man muss über die Gleise laufen, um den Bahnhof zu verlassen. So klein ist der Bahnhof von Iphofen. In der prallen Sonne schauen wir auf dem Parkplatz von links nach rechts und fragen uns, ob Andi es wohl vergessen hat, dass wir kommen. Nach wenigen Minuten kommt ein kleiner VW-Bus angerast.
Kaum sitzen wir im Auto, redet Andi in einer Geschwindigkeit, die uns aus unserer Sonntagsgemütlichkeit reißt. Es sind keine zwei Minuten und wir sind schon mitten in den Weinbergen. Andi will uns schnell zeigen, wo wir am morgigen Tag arbeiten werden. Wir schreiben bereits hastig auf unseren Handys mit, um keine Informationen zu verlieren. Andi hat es eilig, seine Schwester hat Geburtstag und die Familie ist zum gemeinsamen Abendessen verabredet, was leider nur noch selten passiert, wie Petra, die Mutter uns später erzählt.
Am ersten Abend haben Floor und ich Zeit uns Iphofen anzuschauen. Ein gemütliches kleines Dorf. Es sieht aus wie eine Kleinstadt aus dem Mittelalter. Von einer alten Stadtmauer und einem Graben umgeben, mit vielen alt-barocken Gasthäusern, wo überall die Weinreben hochwachsen. Der Silvaner ist hier heimisch und wird in jedem Gasthaus, aus oft eigener Produktion, angeboten. Auch wir verfallen direkt dem Charme der Weinstadt und genießen Spätzle mit einem cremig-leicht süßlichen Silvaner vom Gasthof.
Handarbeit. Bio. Schafe.
Morgens um 08 Uhr nach dem Frühstück geht es direkt auf den Weinberg. Andi ist bereits seit 06 Uhr auf den Beinen. Aufgabe für uns drei ist nun das Weinrebenausbrechen. „Hier lässt er nicht jeden ran!“, sagt er mit einem Augenzwinkern und wir werden ehr nervös als das uns dies ermutigt. Andi erklärt uns die Cordon-Rebenerziehung, wo ein Rebarm horizontal zum Boden wächst, während die neuen Triebe nach oben Wachsen. Ziel: die Triebe auf 10 maximal 12 zu reduzieren. Und das von teilweise 22 Trieben. Wir schauen ihn skeptisch an.
Weniger Ertrag, aber dafür mehr Geschmack und besserer Wein. Andi hat eine ganz klare Vorstellung davon, wie seine Weine schmecken sollen, und sorgt schon im Weinberg dafür sein Ziel zu erreichen. „Die Weinreben müssen sich anstrengen“, sagt Andi, denn wenn sie zu viel an Nährstoffen bekommen, dann ist es wie mit Kindern. Gibt man ihnen zu viel Essen werden sie dick und faul. Die Trauben in diesem Fall zu viel Zucker und werden im wahrsten Sinne schneller „Faul“.
Deswegen pflanzt Andi bedacht Wildblumen, Kräuter und Gräser zwischen die Reben, die um die Nährstoffe im Boden mit den Reben konkurrieren. Weniger Zucker bedeutet, weniger Alkohol und dementsprechend weniger Schmelzigkeit beim Trinken. Und genau das ist es, was Andi möchte: frische Weine mit einer knackigen Säure. Das macht sie schlanker und eleganter, fordert aber auch mehr Arbeit auf dem Weinberg. Es wird konsequent handgelesen und, auch wie wir es nun tun, ausschließlich mit der Hand Reben „ausgebrochen“.
Das Ausbrechen von Trieben hilft auch in der Vorbeugung gegen Pilzbefall. Dadurch ist der Rebstock weniger dicht bewachsen und besser gegen Feuchtigkeit geschützt, da mehr Luft an die Trauben kommt. Oft sind es eben einfache Dinge, mit denen man einen gesunden Weinberg pflegen kann. Andi orientiert sich auch an Zeigerpflanzen, die auf dem Weinberg wachsen. Brennnesseln und Löwenzahn zeigen zum Beispiel den Stickstoffgehalt im Boden an und gesunde Rosen, dass kein Schimmelbefall vorliegt. Wobei es oft schon zu spät ist, wenn die Rosen schon vom Pilz befallen sind. Deswegen nutzt er vorbeugende Methoden, um Pilz zu vermeiden, wie Schwefel und auch Backpulver.
Um Punkt halb zwei wird die Arbeit liegen gelassen und wir fahren mit knurrendem Magen zum Mittagessen. Es gibt eine deftige Lasagne, die in diesem Moment genau das Richtige ist. Andi’s Vater Werner schenkt uns bereits den ersten Wein ein.
Der Wilde Wein oder Weigand?!
Andi ist erst 26 Jahre alt und hat mit seinem neuen Ansatz zum Weinanbau viel im Familienweingut aufgewirbelt. Seine neuen, und oft auch für die Region sehr außergewöhnlichen Ideen, stoßen nicht immer sofort auf Begeisterung. Vor drei Jahren hat Andi bereits auf die biologische Anbauweise gewechselt und findet seine Weinberge mit teilweise vollen, langen Grasböschungen nicht nur wunderschön, sondern auch für den Geschmack seiner Weine extrem wichtig. Die älteren Generationen von Winzern fassen sich dabei nur an den Kopf, so Andi. Denn früher musste ein Weinberg sehr sauber sein und durfte kein „Unkraut“ zwischen den Reben haben. Das galt als „schlampig“ und wies auf einen faulen Winzer hin. Andi lacht bei diesem Gedanken. Anstatt sich von den Meinungen anderer beirren zu lassen, liebäugelt er derzeit lieber mit dem Gedanken kleine „Ouessantschafe“, die kleinste Schafrasse Europas, in seinem Weinberg zu halten.
Andi gibt zu, dass es gut ist, dass ihn seine Eltern, bei all seinen Ideen, die ihm in den Kopf kommen, ab und zu auch mal zurückhalten. „Die Stimme der Vernunft“ seines Vaters Werner ist ein sehr guter Gegenpol. Auch Werner bemerkt die Veränderungen in der Natur, die die konventionelle Anbauweise, wie das Spritzen von Glyphosat mit sich gebracht haben. Es gibt beispielsweise immer weniger Vogelarten in den Weinbergen und in den Scheunen kaum noch Schwalben. Das sei schade und würde auch ihm Sorgen bereiten. In diesen essenziellen Entscheidungen sind sich Sohn und Vater also einig.
Der Weinkeller ist Andi’s Revier. Dort probiert er immer gerne neue Methoden aus. Mit seinem Mentor und nun auch Winzerkollegen, Hans-Peter Ziereisen, wo er während seiner Ausbildung gelernt hat, tauscht er Reben aus, und vergärt sie bei sich im Keller. Sie wollen schauen, ob die Gärung oder der Weinberg mehr Einfluss auf den Geschmack im Wein haben.
Im Weinkeller sieht man zwischen Holz und Stahlfässern in einem kleinen Glasballon ganze Trauben schwimmen. Begeistert erklärt Andi, dass er eine kleine Menge an ganzen Trauben im Saft während der Gärung lässt, was dem Wein mehr Tannine gibt und sie für Andi spannender macht. Spannend ist auch, dass alle Weine von Andi spontan vergoren sind. Das macht viele Winzer nervös, die Arbeit mit dem Wein für Andi umso aufregender.
Auch im Weinkeller hat Andi große Pläne. In Zukunft möchte er ausschließlich in Holzfässern vergären und hat sich als nächstes Projekt eine Handpresse auf den Zettel geschrieben. Er ist Perfektionist, das merkt man ihm an. Die Handpresse würde eine langsamere und schonendere Pressung erlauben, wobei mehr Inhaltsstoffe im Wein bleiben. Vor allem hier merkt man, dass Andi, trotz leidenschaftlicher Energie, weiß Zeit und Ruhe für Wein versteht. Wahrscheinlich hat er deswegen ein altes Bild aufgestellt, wo „Patience“ (dt. Geduld) in dicken Buchstaben draufsteht.
Am zweiten Tag auf dem Weinberg haben wir das Rebenausbrechen verinnerlicht. Wir arbeiten konzentriert, schnell und genau. Die Sonne scheint uns in den Nacken. Der Wind weht leicht über den Weinberg und die Vögel füllen mit ihrem Gezwitscher die Stille. Es gibt lange Gesprächspausen, jeder arbeitet für sich und ist in seinen eigenen Gedanken versunken. Es breitet sich eine Grundzufriedenheit aus. „Ich liebe das Handlesen“, sagt Andi zwischendurch, „die pure Zufriedenheit“. Wir wissen genau, was er meint.
BESUCHT von Floor & Deschna
FOTOS Floor & Deschna
TEXT Deschna